Die erneuernde Kraft des Verliebtseins

Warum kann ich nicht immer so verliebt sein?

Wenn wir verliebt sind, wissen wir von vornherein, dass das immer eine endliche Phase in der Beziehung ist. Niemand ist ewig verliebt, davon kann wohl jedes Paar ein Lied singen. Aber dieses »Lied« muss kein trauriges Lied sein.

Die meisten Menschen bedauern es, wenn nach den ersten Schmetterlings-Wochen oder -Monaten die schönen leichten Gefühle nachlassen und der ernstere Teil des Alltags Einzug hält. Sie betrauern, dass das geheimnisvolle Liebesgeflüster vom lauten Verpflichtungsgeplänkel verdrängt wird.

Verliebtheit ist zu großen Teilen hormonell bedingt, und genau diese stoffliche Grundlage verändert sich im Laufe der Zeit, ohne Ausnahme, bei jedem Menschen. Natürlich muss am Ende die »Chemie stimmen«, aber gute langlebige Beziehungen werden nicht auf der instinktiven archaischen Ebene geschlossen – wo es im Übrigen meistens um Eroberungen geht. Die wenigsten haben den Mut, sich dieser Veränderung zu stellen, weil sie Angst davor haben. Viele wechseln gleich den Partner, die Partnerin, weil sie die schwindende Verliebtheit für ein »schlechtes Indiz« halten. Doch wie das ganze Leben einen zyklischen Verlauf hat, sind auch Beziehungen verschiedenen, aufeinander folgenden Phasen unterworfen. Das muss sich nicht automatisch in einer Krise äußern, doch für viele bedeutet schon allein die Tatsache, dass sich etwas verändert, eine Bedrohung.

Ist Verliebtheit nicht bloß nutzlose Romantik?

In der Phase des Verliebtseins sehen wir eigentlich nur die positiven Seiten des Partners, der Partnerin, und wir genießen die Schönheit und Großartigkeit des anderen. Wir sehen sozusagen in ihm den »Engel«. Es ist jedoch verführerisch, der Illusion zu verfallen, dieser andere Mensch bestünde nur aus Stärken. Logischerweise werden wir über kurz oder lang auch auf die Schwächen des geliebten Menschen stoßen und auch unsere eigenen werden irgendwann für ihn sichtbar. Früher oder später landen wir miteinander in der Realität. Das, was danach kommt, muss sich auf eine Verbindlichkeit stützen, die eine bleibende Substanz hat. Wir brauchen einen bewussten klaren Beschluss anstelle eines verschwommenen Blicks durch die rosa Brille.  

Wozu bin ich denn überhaupt verliebt?

Solange wir frisch verliebt sind, erfahren wir die Leichtigkeit des Lebens und sinken so in eine Art »paradiesischen« Zustand. Dieser Zustand ist ein großes Geschenk, denn es hat die Kraft, uns zu motivieren – uns für ein erfüllendes Leben zu entscheiden, uns auf Herausforderungen vorzubereiten oder die frische Inspiration für neue Projekte zu nutzen. Darin liegt das hohe Potenzial des Verliebtseins. Außerdem ist jede Verliebtheit auch eine heilsame Gnade, die uns daran erinnert, wie sich Nähe wirklich anfühlt. Selbst wenn wir schon schlechte Erfahrungen gemacht haben, wird in uns der Bezug zu unserem seelischen Ur-Zustand wiederhergestellt. Wir erleben die Intimität der Verschmelzung, wie wir sie früher mit unserer Mutter erlebt haben. Das gibt uns das Gefühl, versorgt und ausgestattet zu sein für die gemeinsame Reise. Wir können uns auf das Abenteuer Beziehung einlassen in dem sicheren Wissen, die kommenden Hürden nehmen zu können.

Wenn du nichts wagst, kannst du nichts gewinnen

Letztlich hat es die Natur so eingerichtet, dass wir mit der Verliebtheit auf angenehmste Art und Weise eingeladen werden, JA zu sagen, obwohl wir wissen, dass es nicht immer einfach sein wird. Die Innigkeit, die wir in der ersten Phase des Verliebtseins erfahren, wird uns später im Beziehungsalltag als innere Referenz begleiten und ermutigen.

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