Beziehungsrituale
In der hawaiianischen Kultur gibt es viele schöne und inspirierende Rituale, die den besonderen Respekt gegenüber der Seele und dem Leben ausdrücken. Am meisten beeindruckt mich die tiefe Achtung vor allen Wesen. Ich habe schon mehrmals erlebt, wie die Hawaiianer selbst der Natur als großem lebendigen Dank und Anerkennung zollen. So beobachtete ich auf meinen Reisen dorthin bspw., wie sie sich vor dem Meer verneigten und darum baten, hineingehen zu dürfen. Wenn sie nach dem Baden aus dem Wasser wieder herauskamen, liefen rückwärts und verneigten sich wieder. Sie bedankten sich für das Geschenk des körperlichen Genusses.
Umso mehr gilt ihre Demut ihren Beziehungen. In der Ehe halten sie es so: Jedes Jahr am Hochzeitstag ziehen Mann und Frau gemeinsam Bilanz, und sie bereiten sich auch innerlich darauf vor. Sie feiern nicht einfach nur oder gehen schön teuer essen, wie hierzulande meist, sondern führen ein sehr essenzielles Gespräch, in dem sie sich gegenseitig erzählen, wie es ihrer Seele mit dem Partner, der Partnerin geht. Sie reflektieren, inwiefern sie sich in den vergangenen 12 Monaten gegenseitig unterstützt und begleitet haben. Sie fragen und antworten einander: Wie gut habe ich deine Entwicklung begleitet und gefördert? Wie sehr war ich für dich da und was hättest du dir von mir noch gewünscht? Was war gut, was kann besser werden?
Wenn sie sich darüber ausgetauscht haben, legen sie all das, was sie verbindet und ihnen guttut, für die Zukunft, für die nächsten 12 Monate neu fest. Sie bekräftigen ihre Verbindlichkeit und aktualisieren das Versprechen ihres Zusammenlebens. Ist die Seele jeweils bereit, gemeinsam weiterzugehen und miteinander, aneinander zu wachsen, setzen sie ihre tiefe Beziehung weiter fort. So halten Sie Freude und Wertschätzung in ihrem Herzen immer frisch.
Wir können diese Rituale in der Beziehung zu unserem Partner oder unserer Partnerin auch hier in der westlichen Kultur pflegen. Statt uns nur darauf zu konzentrieren, dass die Hochzeit ein opulentes Fest wird, der Anzug und der Schmuck recht teuer und das Menü extravagant, können wir auch daran denken, das zu formulieren, was uns die Ehe bedeuten soll. Was wir beitragen möchten, dass sie gelingt und der Partner, die Partnerin glücklich ist, und was wir uns vom anderen selbst wünschen. Wie viel schöner, persönlicher und wirkungsvoller kann eine Eheschließung und jeder folgende, jährliche Hochzeitstag sein, wenn wir mehr mit der wahren Bedeutung von Liebe beschäftigt sind als mit den Äußerlichkeiten? Wie viel erfüllter wären wir, wenn wir uns als Mann und Frau wirklich in Kenntnis setzen würden über unsere intimsten Empfindungen, unsere geheimsten Erwartungen und Wünsche? Wenn wir unsere Herzen offen wären und alles aussprechen würden, was uns bewegt und berührt – ein Leben lang. Jedes Jahr!
Die hawaiianische Tradition kennt auch einen einzigartigen Umgang mit Konflikten. Satt lange Dispute zu führen und destruktive Taktiken anzuwenden, benutzen sie Vergebungs- und Versöhnungsrituale, um miteinander ins Reine zu kommen und Frieden zu schließen. Sie führen offene Aussprachen und legen bei jeder Gelegenheit die Hände auf das Herz, um ihren guten Willen und den Respekt zu bekunden. Sie geben sich Feedback nicht als Kritik, als unbewusste Spiegel oder Projektionen, sondern als ehrliche Rückmeldung, um dem anderen zu dienen auf seinem Weg der persönlichen Entwicklung. Das beugt Schwierigkeiten vor, damit keine Enttäuschung, Verbitterung oder Verschlossenheit entsteht, damit keiner „die Koffer packen“ muss.
Wenn sich ein Paar aber doch bewusst zur Trennung entschließt, weil die Beziehung für beide nicht mehr im Einklang zu ihren Bedürfnissen steht, geben sie sich mit geeigneten Ritualen bewusst und energetisch frei, um ab da eigene Wege gehen zu können. Sie beenden die Verbindlichkeit respektvoll und sprechen Dank aus für die Zeit, in der die Beziehung bestand. Mann und Frau entlassen sich in Frieden, mit offenem Herzen. Die Ressource dieses beeindruckenden Friedens bildet sich nicht nur in den regelmäßigen tiefen Gesprächen und der ehrlichen Reflexion heraus, sondern ist auch verfügbar, weil der Zeitpunkt des Beziehungsendes sofort erkannt wird.
Wer regelmäßig mit dem Partner auf dem Laufenden ist in Bezug auf Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse, der leidet auch nicht lange Jahre, bis kein Frieden mehr da ist. Dann geht der Trennung keine Entfremdung voraus, und sie muss auch nicht zwangsläufig bedeuten, dass keine Liebe mehr empfunden wird oder Versöhnung unmöglich scheint. Gerade bei einer Trennung ist es wichtig, sich wohlwollend und wertschätzend zu verabschieden, damit zu den oftmals ungelösten konfliktreichen Verbindungen zu den eigenen Eltern nicht auch noch weitere ungelöste Verbindung zu Ex-Partnern hinzukommen. Jede Beziehung ist ein nicht selbstverständliches Geschenk, und das bleibt sie auch noch dann, wenn die Beziehung beendet oder die Ehe geschieden wird.